Immobiliengesellschaften: Stille Reserven und deren Besteuerung / Teil 3
Konzept des verdeckten Eigenkapitals
Tatbestand und Zweck von Art. 65 DBG und Art. 29a StHG
Art. 65 DBG stellt eine Ergänzung zu Art. 58 Abs. 1 lit. b DBG dar, wonach dem steuerbaren Reingewinn einer juristischen Person die Schuldzinsen auf jenem Teil des Fremdkapitals zugerechnet werden, dem wirtschaftlich die Bedeutung von Eigenkapital zukommt. Auch im Rahmen der kantonalen Kapitalsteuer erhöht sich das steuerbare Eigenkapital gemäss Art. 29a StHG um den Teil des Fremdkapitals, dem wirtschaftlich die Bedeutung von Eigenkapital zukommt.
Gemäss der Botschaft zu den Bestimmungen über das verdeckte Eigenkapital erfasst dessen Tatbestand Sachverhalte, in denen Anteilsinhaber von unterkapitalisierten Kapitalgesellschaften dem Unternehmen das fehlende Eigenkapital als Darlehen, d.h. in Form von formellem Fremdkapital, zur Verfügung stellen.[1] Dabei stellen die an die Anteilsinhaber gezahlten Darlehenszinsen verdeckte Gewinnausschüttungen dar und dürfen nicht der Erfolgsrechnung belastet werden.[2]
In der Praxis ist die Problematik der eigenkapitalersetzenden Darlehen einerseits für kleine und mittlere Unternehmen mit geschlossenem Gesellschafterkreis besonders relevant.[3] Die Alleinaktionäre empfinden die steuerliche Belastung ihrer Gesellschaften als persönliche Steuerlast und sind daher bestrebt, die Doppelbelastung (zum einen auf der Stufe der Gesellschaft im Rahmen der Gewinnsteuer und zum anderen auf Stufe der Gesellschafter im Rahmen der Einkommenssteuer) nach Möglichkeit zu reduzieren.[4] Andererseits spielt die Frage eigenkapitalersetzender Darlehen bei grossen Konzernen insofern eine Rolle, als Mutter- und Tochtergesellschaft in Lehre und Praxis als nahestehende Personen i.S.v. Art. 65 DBG, Art. 29a StHG und ferner ESTV KS Nr. 6/1997 qualifiziert werden.[5]
Ziel der Regelung über das verdeckte Eigenkapital ist einerseits die Sicherstellung der wirtschaftlichen Doppelbelastung im Bereich der Gewinn- und Einkommenssteuer.[6] Andererseits bezweckt diese Regelung die steuerliche Gleichbehandlung der Unternehmen.[7]
Art. 65 DBG stellt eine steuerrechtliche Korrekturvorschrift dar, welche die im Teil 2 erwähnte zivilrechtliche Finanzierungsfreiheit einschränkt[8]. Wie die Entstehungsgeschichte der Regelung zum verdeckten Eigenkapital zeigt, bezweckt diese Einschränkung implizit wohl die Verhinderung der Unterkapitalisierung von Kapitalgesellschaften. Da die Gewinnsteuerbelastung sich für die Wahl der Finanzierungsstruktur ausschlaggebend ist, soll die Wahl der Regelung gegen die Unterkapitalisierung gerade steuerrechtlich effizient sein und erscheint zumindest in diesem Lichte nachvollziehbar.
Entstehungsgeschichte der Regelung über das verdeckte Eigenkapital
Ursprünglich (noch vor dem Inkrafttreten des DBG am 1. Januar 1995) war die Behandlung des verdeckten Eigenkapitals eng mit dem Tatbestand der Steuerumgehung verbunden, ohne dass es eine explizite gesetzliche Regelung auf Bundesebene existierte.[9]
Demgegenüber kannten viele Kantone schon sehr früh spezielle gesetzliche Bestimmungen zur steuerlichen Erfassung von verdecktem Eigenkapital.[10] So kannten die Kantone AG, BL, BS, FR, GE, NW, OW, SH, TI, VD, VS und ZG spezielle gesetzliche Grundlagen zur steuerlichen Behandlung von Unterkapitalisierungen[11]. Die meisten Kantone stellten dabei auf die steuerlichen Buchwerte ab, mit Ausnahme des Kantons VD, der auf die Steuerschätzwerte der Liegenschaften abstellte[12]. Für Immobiliengesellschaften hatten einige Kantone explizite strenge Finanzierungsregeln, wonach das Mindesteigenkapital zwischen ½ und ¼ des Buchwertes der Aktiven betragen musste, während für die übrigen Gesellschaften flexiblere Obergrenzen zwischen 1/5 und 1/6 des Buchwertes zugelassen wurden.[13]
Ziel dieser Regelungen war es, die Unterkapitalisierung von Kapitalgesellschaften zu verhindern. Da Unterkapitalisierungen und damit verdecktes Eigenkapital vor allem bei Immobiliengesellschaften vorkamen, erliess die ESTV das Merkblatt vom 10.7.1968 „Verdecktes Eigenkapital bei Immobiliengesellschaften“ (ESTV-Merkblatt Immobiliengesellschaften 1968)[14]. Dieses stützte sich ebenfalls auf den Tatbestand der Steuerumgehung (ESTV-Merkblatt Immobiliengesellschaften 1968, Ziff. 1.2.). Bei der Frage des verdeckten Eigenkapitals knüpft der Tatbestand der Steuerumgehung an die unangemessene und ungewöhnliche Fremdfinanzierung an.[15] Gemäss der Botschaft liegt eine ungewöhnliche Fremdfinanzierung bei Immobiliengesellschaften dann vor, „wenn die Gesellschaft ihre Tätigkeit ohne die in Frage stehenden Mittel nicht im tatsächlich erfolgten Umfang aufnehmen oder weiterführen könnte, aus eigener Kraft die notwendigen Mittel bei Dritten nicht erhalten hätte und diese Mittel in einem für Fremdfinanzierungen nicht üblichen Mass dem Risiko des Geschäftserfolgs aussetzt“.[16] „Aus eigener Kraft erhältlich“ waren damals Fremdmittel bis zu 80% des Verkehrswertes der Liegenschaft.[17] Dieser Richtwert wurde für die praktische Ermittlung des verdeckten Eigenkapitals entsprechend herangezogen.[18]
Diese vom Bundesgericht anerkannte Praxis zur Handhabung der Unterkapitalisierungen bzw. des verdeckten Eigenkapitals verlangte nach einer Kodifizierung[19], was schliesslich zu den heutigen Regelungen von Art. 65 DBG und Art. 29a StHG führte. In seiner aktuellen Fassung trat die Regelung von Art. 65 DBG am 1. Januar 1998, im Rahmen der Unternehmenssteuerreform 1997 in Kraft. Von der früheren Fassung vom 14. Dezember 1990 unterscheidet sie sich dadurch, dass sie eine Definition des verdeckten Eigenkapitals enthält. Früher verwies Art. 65 DBG auf Art. 75 aDBG, der mit dem heutigen Art. 29a StHG identisch war (mit Ausnahme der Regelung für die Immobiliengesellschaften in Art. 75 Abs. 2 und 3 aDBG). Im Rahmen der Unternehmenssteuerreform 1997 wurde Art. 75 aDBG aufgehoben und die Umschreibung des verdeckten Eigenkapitals in den Wortlaut von Art. 65 DBG aufgenommen.
Im Gegensatz zur Praxis der Steuerbehörden vor Erlass des DBG und des StHG stipulieren die heutigen Regelungen die wirtschaftliche Unterscheidung zwischen Eigen- und Fremdkapital, so dass nicht mehr auf den Tatbestand der Steuerumgehung abgestellt wird.[20] Damit wurde eine Objektivierung des Tatbestandes erreicht.[21] Die wirtschaftliche Qualifikation des Kapitals ist aber nach wie vor eng an das Merkmal der ungewöhnlichen Fremdfinanzierung geknüpft, d.h. für die Abgrenzung gilt nach wie vor der Massstab „was aus eigener Kraft erhältlich wäre“.[22]
Steuerfolgen des verdecken Eigenkapitals
Steuerrechtlich ist das Vorliegen des verdeckten Eigenkapitals bzw. seine Höhe für die Gewinnsteuer (auf Bundes- und Kantonsebene), die Kapitalsteuer (nur auf Kantons- und Gemeindeebene) und für die Verrechnungssteuer relevant.
Im Rahmen der Gewinnsteuer werden, gestützt auf Art. 58 Abs. 1 lit b DBG i.V.m. Art. 65 DBG und auf die nach Massgabe von Art. 24 Abs. 1 lit. c StHG i.V.m. Art. 29a StHG angepassten kantonalen Bestimmungen (bspw. § 64 Ziff. 4 i.V.m. § 80 StG ZH, § 59 Abs. 1 Ziff. 4 i.V.m. § 73 StG ZG), die Zinsen auf dem verdeckten Eigenkapital zum steuerbaren Reingewinn hinzugerechnet. Dies erfolgt im Rahmen einer steuerrechtlichen Korrektur, wobei die Umqualifikation nur steuerrechtlich, nicht aber handelsrechtlich, erfolgt.[23]
Im Rahmen der kantonalen Kapitalsteuer wird das verdeckte Eigenkapital gestützt auf die entsprechenden kantonalen Rechtsnormen (z.B. § 80 StG ZH, § 73 StG ZG) zum steuerbaren Kapital hinzugerechnet.
Zinsen auf verdecktem Eigenkapital sind, wie verdeckte Gewinnausschüttungen generell, gemäss Art. 4 Abs. 1 lit. b VStG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 VStV der Verrechnungssteuer unterworfen.[24]
Aufgrund der formellen Betrachtungsweise der Rechtsverkehrssteuer wird jedoch auf dem als verdecktes Eigenkapital qualifizierten Fremdkapital keine Emissionsabgabe erhoben.[25]